von Kai Pflug
Ich gebe gern zu, dass die Überschrift dieses Blogposts nicht gerade einladend klingt. Nicht jeder Post kann einen Titel haben wie „Monstertruck rast in aggressiven Tyrannosaurus Rex“. Was natürlich schade ist.
Der Begriff „Kulturelles Kapital“ kommt von einem französischen Soziologen, Pierre Bourdieu. Er beschreibt damit die Bildung, die einem Menschen im Zusammenleben mit anderen Menschen Nutzen bringt. Eine Unterform dieses kulturellen Kapitals ist seiner Definition nach das verinnerlichte Kulturkapital. Das ist die durch Erziehung erworbene Bildung, die die Einzelperson mit sich herumträgt. Man spricht auch von Bildungskapital.
Warum spricht Bourdieu von Kapital, was ja eigentlich eher ein Begriff aus der Wirtschaft ist? Weil dieses Bildungskapital konkreten Nutzen für den hat, der es besitzt. Wer höher gebildet ist, findet leichter eine gutbezahlte Arbeit, wird gesellschaftlich höher angesehen, findet leichter Zugang zu Netzwerken von Personen mit ähnlich hohem Bildungsgrad und so weiter.
Eine gute Sache also, dieses Bildungskapital, richtig? Infolgedessen sollten sich also alle Eltern bemühen, ihren Kindern möglichst viel davon zukommen zu lassen. Aber genau das ist nicht der Fall. Eltern, die selber über hohes Bildungskapital verfügen (oder einfacher: die gebildeter sind), bewerten dies höher und investieren daher mehr in die Bildung ihrer Kinder (oft haben sie daneben auch noch bessere finanzielle Möglichkeiten, um dies zu tun, weil eben Bildungsstand und Einkommen in unserer Gesellschaft bis zu einem gewissen Grad korrelieren).
Dies ist ein Blogpost für StayIN – ich sollte also erklären, was das alles mit StayIN zu tun hat. StayIN konzentriert sich auf Schüler, deren Eltern nicht in der Lage sind, ihren Kindern ausreichend Bildungskapital zukommen zu lassen. Zum Beispiel, weil die Eltern selber nicht sehr gebildet sind oder sie aus einem anderen Kulturkreis kommen, also gar nicht über das hier relevante Bildungskapital verfügen. StayIN versucht, dies auszugleichen.
Klar, diesen Ausgleichsjob sollten eigentlich die Schulen machen – aber die haben nur sehr begrenzte Ressourcen, um auf Ungleichheiten unter den Schülern einzugehen. StayIN versucht ja gar nicht erst, allen Schülern zu helfen – wir konzentrieren uns auf die, die solche Hilfe am meisten benötigen und am stärksten davon profitieren können. Dazu setzen wir Mentoren ein, die individuell Bildungskapital an die StayIN-Schüler vermitteln. Und natürlich achten wir bei der Auswahl unserer Mentoren darauf, dass diese tatsächlich über das relevante Bildungskapital verfügen und dies weitergeben können.
Jetzt, nachdem ich die obigen Absätze geschrieben habe, überlege ich, ob der am Textanfang beschriebene theoretische Hintergrund wirklich relevant ist. Vielleicht hätte es ja auch gereicht, folgendes zu sagen: Bildung eröffnet Chancen im Leben. Kinder, die beim Erwerb von Bildung wenig Unterstützung bekommen, haben es daher schwer. StayIN versucht, diesen Kindern zu helfen.
Aber dann wäre es natürlich nur ein sehr kurzer Blogpost geworden.
Foto von cottonbro
Originally posted 2024-03-16 14:01:21.