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Was sind die größten Probleme für die afghanische Wirtschaft?

von Kai Pflug

Das ist eine wichtige Frage, insbesondere auch für StayIN. Unser Ziel ist es ja, die lokale Wirtschaft zu stärken, um den Afghanen eine Perspektive und einen Grund zu geben, im Land zu bleiben. Es ist auch eine Frage, die ich nicht wirklich qualifiziert beantworten kann – andere können dies zum Glück aber schon.  Insbesondere veröffentlicht die Weltbank regelmäßig Berichte über die Entwicklung der afghanischen Wirtschaft. Die neueste Aktualisierung wurde gerade Anfang Oktober 2023 veröffentlicht.

Teile des Weltbank-Berichts basieren auf einer Umfrage unter privaten afghanischen Unternehmen. Diese Unternehmen wurden gebeten, relevante Hindernisse für ihre Geschäftstätigkeit zu nennen.

Als größtes Problem wurde die geringe Nachfrage genannt. Der drastisch gekürzte Staatshaushalt und andere Faktoren, darunter ausländische Sanktionen, haben die lokale Kaufkraft gemindert und damit die lokale Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen gedämpft.

Infolgedessen gab nur etwa die Hälfte der befragten Unternehmen an, mit voller Kapazität zu arbeiten, während ein Drittel unter der vorhandenen Kapazität operierte. Von der geringen Kapazitätsauslastung sind nach Aussage des Reports vor allem kleine und von Frauen geführte Unternehmen betroffen.

Als zweitgrößtes Problem wurde die Unsicherheit über die Zukunft genannt, gefolgt von der eingeschränkten Funktionalität des Bankensystems. Insbesondere haben die meisten Firmen zwar Bankkonten, die überwiegende Mehrheit von ihnen hat jedoch in den letzten zwei Jahren kein Geld auf ihre Konten eingezahlt. Dies deutet auf einen Mangel an Vertrauen in das formelle Bankensystem hin. Stattdessen bevorzugen Unternehmen Zahlungen in bar oder nutzen das traditionelle Hawala-System.

Das vierte von den befragten Unternehmen angegebene Hindernis ist für StayIN besonders relevant. Unternehmen leiden an dem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Dieses Problem möchte StayIN mit einem Projekt zur Einführung eines Berufsbildungssystems in Afghanistan angehen. Das Projekt soll mit der Ausbildung zum Industrieelektriker beginnen, da dieser Beruf unseren Recherchen nach einen besonderen Engpass für afghanische Unternehmen darstellt.

Zu den weiteren Schwierigkeiten, mit denen die befragten Unternehmen konfrontiert sind, gehören ein weniger effizientes Zahlungssystem, hohe Geschäftskosten, die schlechte Verfügbarkeit importierter Vorprodukte, Beschränkungen für die Beschäftigung von Frauen, Stromausfälle und Schwierigkeiten bei der Kreditbeschaffung.

Die Weltbank berichtet darüber hinaus auch über einige positive Entwicklungen, die in der Umfrage identifiziert wurden. Fast die Hälfte der Unternehmen meldete eine Verbesserung der Sicherheitslage, wobei diese Verbesserung hauptsächlich auf größere und von Männern geführte Unternehmen beschränkt ist. Darüber hinaus ist die Notwendigkeit, Bestechungsgelder zu zahlen, um Geschäfte zu tätigen, deutlich zurückgegangen – die meisten Befragten gaben an, im letzten Jahr keine inoffiziellen Zahlungen geleistet zu haben. Dies deckt sich gut mit unseren eigenen Feststellungen – Korruption ist für Unternehmen derzeit weit weniger ein Problem als noch vor ein paar Jahren. Dennoch bleiben natürlich sehr viele Herausforderungen bestehen. Wir hoffen daher, dass die StayIN-Arbeit in Zusammenarbeit mit unseren lokalen Partnern dazu beitragen kann, die wirtschaftliche Situation Afghanistans zu verbessern.

Originally posted 2024-03-16 14:36:33.