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Westliche Sanktionen gegen Afghanistan: Es trifft die Ärmsten

von Kai Pflug

Bevor die Taliban vor zwei Jahren die afghanische Regierung übernahmen, erhielt Afghanistan jährlich etwa 8 Milliarden US-Dollar an externer Hilfe. Der Großteil dieser Mittel steht seitdem nicht mehr zur Verfügung. Verschärfend kommt hinzu, dass die USA außerdem etwa 7 Milliarden US-Dollar Auslandsguthaben Afghanistans eingefroren (weitere etwa 2 Milliarden US-Dollar wurden von einer Reihe anderer Länder, darunter auch Deutschland, eingefroren). Dieser  Betrag entspricht etwa 40 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung Afghanistans und ist eine unersetzbare Ressource für den Import von Artikeln wie Lebensmitteln und Medikamenten.

Die Idee hinter solchen Sanktionen ist klar: Druck auf die Taliban auszuüben, den leitenden Figuren der Regierung zu schaden und zu verhindern, dass sich die Herrschaft der Taliban stabilisiert. Aber funktioniert es auch?

Angesichts der Machtstruktur in Afghanistan ist es hoffnungslos naiv zu glauben, dass hochrangige Regierungsvertreter aufgrund dieser Sanktionen Opfer bringen müssen. In der Realität sind sie sicherlich am wenigsten von den Sanktionen betroffen. 

Die Leidtragenden sind stattdessen die Armen Afghanistans. Davon gibt es sehr viele, und sie leiden bereits ohne solche Sanktionen. Nach Angaben des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten werden im Jahr 2023 mehr als 28 Millionen Menschen (etwa zwei Drittel der afghanischen Bevölkerung) dringend humanitäre Hilfe benötigen, um zu überleben.

Die westlichen Sanktionen behindern auch die wirtschaftliche Entwicklung des Landes, die vielleicht zu einer langfristigen Verbesserung der Situation führen könnte. Berichten zufolge benötigte eine europäische Bank 40 bis 50 Mitarbeiter, um eine einzige Finanztransaktion nach Afghanistan zu ermöglichen – keine Bedingungen, unter denen eine erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung stattfinden kann.

Natürlich ist es nicht sehr überraschend, dass jemand wie ich, der Afghanistan über eine NGO unterstützt, die Aufhebung der Sanktionen fordert. Aber auch andere, weniger voreingenommene Parteien haben ähnliche Maßnahmen gefordert. Beispielsweise schickten etwa 50 Mitglieder des US-Kongresses einen Brief an Präsident Biden, in dem sie erklärten, dass die Beschlagnahmung der Währungsreserven Afghanistans durch die USA das Land noch tiefer in eine wirtschaftliche und humanitäre Krise stürzt.

Und eine Gruppe von mehr als 70 Ökonomen, darunter einige Nobelpreisträger, erklärte, dass die USA das Einfrieren der Reserven nicht rechtfertigen könne. Nach der Aussage dieser Wirtschaftsexperten kann die afghanische Zentralbank ihre Aufgaben ohne Zugang zu diesen Reserven nicht erfüllen, wodurch ein Zusammenbruch der afghanischen Wirtschaft unausweichlich sei.

Mein Fazit: Nur wer will, dass in Afghanistan viele Menschen sterben, sollte die Sanktionen aufrechterhalten wollen.

Originally posted 2024-03-16 14:23:02.